Freitag, 10. Juli 2009

Prozessdelegation besucht Stammheim-Prozess














Auf den Aufruf der "Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay" hin besuchte eine internationale Prozessdelegation am 7. Juli 2009 den seit März letzten Jahres laufenden §129b-Prozess in Stuttgart-Stammheim. Den dringenden Anlass für diese Initiative stellt die gesundheitliche Verfassung des Gefangenen Mustafa Atalay dar. Mustafa Atalay kam im Jahr 2000 als politischer Flüchtling nach Deutschland. In der Türkei war er schwer gefoltert worden und ist dort mehr als 15 Jahre im Gefängnis gewesen.

Nur zwei Wochen nach seiner Bypass-Herzoperation im Oktober 2006 wurde Mustafa Atalay in der Rehaklinik Bad Bevensen am 15. November 2006 von BKA-Beamten verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Durch die Haftbedingungen und die nicht ausreichende medizinische Versorgung sind 2 seiner Herzadern erneut verstopft. Hinzu kommt die retraumatisierende Wirkung der Isolationshaft. Der haftunfähige Gefangene wird dennoch nicht freigelassen - der dritte Antrag auf Haftverschonung wurde vom Senat im April erneut abgelehnt. Die fünf Angeklagten Mustafa Atalay, Hasan Subasi, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Ahmet Düzgün Yüksel sind angeklagt, Mitglieder der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C zu sein. Dieses Verfahren ist der erste §129b-Prozess, der sich gegen eine linke Organisation richtet und deshalb zur Schaffung eines Präzedenzfalles dient. Über das Konstrukt der "Rückfront" in der BRD werden legale Tätigkeiten wie der Verkauf von Zeitungen, Schulungsaktivitäten und Sammeln von Spenden zu kriminellen Handlungen hochstilisiert, da sie "terroristischen" Aktivitäten im Ausland unterstützen sollen.

Die Prozessdelegation bestehend aus dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz (besuchte Mustafa Atalay in der Haft), Dr. med Ralf Binswanger (Psychoanalytiker; erstellte eine Analyse der gerichtlichen Gutachten über Mustafa Atalay), Christian Herrgesell (Gefangenenenbeauftragter vom Komitee für Grundrechte), Carsten Ondreka (Junge Welt), Peter Nowak (Neues Deutschland) und TeilnehmerInnen aus verschiedenen Städten der BRD, Belgien und der Schweiz, versammelte sich gegen 9.00 Uhr vor dem Oberlandesgericht und führte dort zunächst eine kurze Kundgebung durch. Nach der Parole "Freiheit für alle politischen Gefangenen" begab sich die Delegation gegen 9.30 Uhr in den Stammheimer Prozessbunker. Wie in gewohnter Manier fand auch nach über 100 Verhandlungstagen eine gründliche Leibesvisitation am Eingangsbereich statt. Sämtliche Gegenstände wurden abgenommen und in Schließfächern verstaut. Das Mitführen von Stift und Papier zwecks Notizen war ebenfalls weiterhin untersagt. Und, wie üblich wurden die Personalausweise bzw. Pässe ebenfalls abgenommen und kopiert.
Der Verhandlungstag begann mit der Anhörung eines Zeugen vom Landeskriminalamt (LKA), welcher durch die Verteidigung und die Angeklagten zur Telefonobservation befragt wurde. Der LKA-Beamte verwickelte sich in Widersprüche, woraufhin die Verteidigung einen Antrag auf Protokollierung beim Senat stellte. Dieser wurde wie üblich abgelehnt. Der LKA-Beamte gab an, dass die in türkischer Sprache geführten Telefonate von einem türkischen Mitarbeiter übersetzt und die Stimmen bestimmten Personen zugeordnet worden seien. Dieser Mitarbeiter, den der LKA-Beamte als kompetent einstufte, besaß laut eigenen Angaben, die er in den vorherigen Verhandlungstagen abgab, weder eine Ausbildung zum Dolmetscher noch eine Qualifikation zur Sprecherkennung. Aus der Befragung des LKA-Beamten ging außerdem hervor, dass jener Teil der Telefongespräche, die als "unrelevant" errachtet wurden, gelöscht worden waren. Auch dies widersprach den Angaben, die er bei vorherigen Verhandlungstagen getätigt hatte, wonach auch die "unrelevanten" Gespräche noch verfügbar gewesen sein sollten.

Nach einer Unterbrechung für Mustafa Atalay, der seine Medikamente einnehmen musste und einer längeren Mittagspause, verlaß der Senat eine Erklärung der DHKC (Revolutionäre Volksbefreiungsfront) vom April diesen Jahres, in der sie Stellung zu einem Anschlag gegen den ehemaligen Justizminister der Türkei Hikmet Sami Türk nahm. In dieser Erklärung machte die DHKC den ehemaligen Minister für die Gefängnisoperationen vom Dezember 2000 verantwortlich, bei denen 28 politische Gefangene durch Einsatzkräfte der Polizei und des Militärs ermordet wurden. Im Anschluss an diese Erklärung führten einige ProzessbesucherInnen eine Protestaktion im Saal durch: sie standen auf und legten ihre T-Shirts frei, auf denen die Parole "Weg mit §§129" zu lesen war. Der Versuch der Sicherheitskräfte, die ProtestaktivistInnen vom Rest der Delegation zu isolieren, scheiterte, wodurch die Gruppe geschlossen den Saal verlassen konnte. Im Warteraum vor dem Saal erschien unerwartet der vorsitzende Richter und sprach von der "Gefährlichkeit der T-Shirts" und meinte, dass dies sei ein rechtsstaatliches Verfahren sei. Dieser wurde in seiner Rede mehrere Male unterbrochen und das Verfahren als Farce lanciert.

Der Prozess setzte sich damit fort, dass der Angeklagte Ahmet Düzgün Yüksel einen Befangenheitsantrag gegen den Senat stellte, da es in den vergangenen Monaten zu Gesprächen zwischen Verteidigung, Bundeswaltschaft und Senat bezüglich einer möglichen Abtrennung der Verfahren gekommen sei, bei denen nicht alle Verteidiger gleichermaßen in die Gespräche mit einbezogen worden seien. Über diesen Antrag und die damit verbundene weitere Zuständigkeit des Senats wird ein Kontrollgericht entscheiden.

Der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, Dr. med. Ralf Binswanger, Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte, Carsten Ondreka von der Jungen Welt und eine Vertreterin der Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay beteiligten sich am darauffolgenden Tag an einer Pressekonferenz im Stuttgarter DGB-Gebäude, wo sie ihre Eindrücke schilderten und Erklärungen abgaben.

Weitere Infos:
www.no129.info

Delegation besucht Stammheimer Prozeß

»Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« bei 129-b-Verfahren. Solidaritätsaktion im Gerichtssaal

Von Carsten Ondreka

Am Dienstag besuchte eine Delegation, organisiert von der »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay«, ein Verfahren gegen fünf türkische Linke vor dem schwäbischen Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart-Stammheim. Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b vorgeworfen. Sie sollen Mitglieder der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) sein. Atalay ist schwer herzkrank, deshalb fordert das Bündnis seine sofortige Freilassung. Die Delegation mit rund 30 Teilnehmern wurde von dem Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, dem Schweizer Psychiater Ralf Binswanger und Christian Herrgesell, dem Gefangenenbeauftragten des Komitees für Grundrechte und Demokratie, begleitet.

Die Teilnehmer der Delegation mußten sich peniblen Sicherheitsvorkehrungen unterziehen. Christian Herrgesell kommentierte, daß es nicht verwunderlich sei, wenn der Prozeß angesichts solcher Hürden weitgehend ohne Öffentlichkeit stattfinde. Er kritisierte zudem den Umgang mit den Gefangenen, die bei jeder Verhandlungspause Handschellen oder gar Fußfesseln angelegt bekamen. Peter O. Chotjewitz, der schon 1975 im Stammheimer Prozeß gegen die RAF Beobachter war, monierte vor allem das Verhalten des Strafsenats gegenüber der Verteidigung. Sämtliche ihrer Anträge und Eingaben wurden abgeschmettert.

Das Gericht verlas vor allem seitenweise Texte, darunter Anschlagserklärungen der DHKP-C und Bewertungen des Auswärtigen Amtes. Nach dem Verlesen einer solchen Erklärung stand eine Gruppe der Prozeßbeobachter demonstrativ auf. Auf ihren Hemden war der Schriftzug »Weg mit dem Paragraphen 129« zu lesen. Erwartungsgemäß führte diese Aktion zu einer längeren Pause. Die Prozeßbesucher wurden allesamt des Saales verwiesen, durften aber nach längeren Verhandlungen wieder das Verfahren verfolgen.

Schließlich stellte der Angeklagte Ahmet Yüksel einen Befangenheitsantrag gegen den Senat des OLG. Er begründete das mit der Informationspolitik gegenüber den Anwälten und Angeklagten. Hintergrund waren Gespräche zwischen Anwälten, Bundesanwaltschaft und Strafsenat über eine mögliche Abtrennung der Verfahren der gesundheitlich beeinträchtigten Gefangenen Atalay, Demirtas und Subasi. In diese Gespräche waren nicht alle Verteidiger gleichermaßen einbezogen. Am nächsten Verhandlungstag, dem 14. Juli, muß ein Kontrollgericht über die weitere Zuständigkeit des Strafsenats beschließen. Erst danach wird es eine Entscheidung über eine mögliche Abtrennung der Verfahren geben.

Am Mittwoch nachmittag informierte die Delegation die Öffentlichkeit über den Verlauf des Verfahrens auf einer Pressekonferenz. Die »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« wertete die beiden Tage in Stuttgart-Stammheim am Freitag gegenüber junge Welt als Erfolg. Es sei gelungen, den Prozeß und seine Hintergründe bekannter zu machen und den Angeklagten Solidarität zu bekunden.

von Carsten Ondreka, Junge Welt, 10.07.2009

»Kritische Öffentlichkeit ist dringend nötig«

Beobachter schildern Eindrücke im Prozess gegen mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder

Von Peter Nowak

Seit über einem Jahr läuft vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart-Stammheim ein Strafverfahren nach dem neuen Paragraphen 129b gegen fünf mutmaßliche Mitglieder der verbotenen türkischen Untergrundorganisation DHKP-C. Beobachter eines Prozesstages schilderten in Stuttgart ihre Beobachtungen

Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler, Hasan Subasi und Mustafa Atalay. Diese fünf Männer stehen vor Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen nach Paragraph 129b vor, als Teil der sogenannten »Rückfront« die militante Politik der marxistisch-leninistisch orientierten DHKP-C unterstützt zu haben. Die DHKP-C wird von der EU wie auch von den USA auf der Liste terroristischer Organisationen geführt. Nach dem Paragraph 129b, der nach den Attentaten vom 11. September 2001 eingeführt wurde, macht sich in Deutschland strafbar, wer Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland ist oder eine solche unterstützt.

Vieles an dem Prozess ist kritisch (ND berichtete): Nicht unwesentlich etwa basiert die Anklage auf Prozessunterlagen aus der Türkei. Der Verteidigung liegen Hinweise darauf vor, dass Aussagen darin unter Anwendung von Folter entstanden. Zwar dürften die Dokumente in einem solchen Fall nicht im Prozess verwandt werden, die Bundesanwaltschaft will von der Verteidigung jedoch Beweise für die konkreten Verdachtsfälle, bevor sie handelt. Der Prozess verläuft weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit, die Gefangenen befinden sich unter isolierenden Bedingungen in Untersuchungshaft.

Am Dienstag haben etwa 30 Personen aus Deutschland, Belgien und der Schweiz auf Initiative der Plattform »Freiheit für Mustafa Atalay« einen Prozesstag beobachtet. Am Mittwoch berichteten mehrere Delegationsteilnehmer im Stuttgarter DGB-Haus über die Gründe für ihr Engagement.

Bettina Seifert von der Plattform verwies dabei auf mehrere ärztliche Atteste und Stellungnahmen, die bei Atalay neben einer schweren Herzkrankheit auch eine massive posttraumatische Störung diagnostizierten, die durch seine lange Haft in der Türkei und die dort erlittene Folter entstanden seien.

Der Züricher Psychiater Ralf Binswanger, der an der Delegation teilnahm, verwies darauf, dass eine posttraumatische Störung unter Haftbedingungen kaum zu behandeln ist. Für eine erfolgreiche Therapie sei Atalays Entlassung aus dem Gefängnis notwendig. Der Gefangenenbeauftragte des Komitees für Grundrechte und Demokratie, Christian Herrgesell, schloss sich er Forderung an. Obwohl er vor mehr als einem Monat einen Besuchsantrag für Atalay stellte, habe er bis heute keinen Termin bekommen. Das sei auch ein Zeichen dafür, wie schwer es ist, mit den Angeklagten Kontakt aufzunehmen. Hergesell verwies darauf, dass das Komitee für Grundrechte die Abschaffung der Paragraphen 129a und b fordere. Die Praxis habe gezeigt, dass damit auch legale Tätigkeiten in die Nähe des Terrorismus gerückt würden.

In diese Richtung argumentierte auch der Schriftsteller und Jurist Peter O.Chotjewitz. Er könne nicht beurteilen, ob die DHKP-C in der Türkei für die ihr zur Last gelegten Bombenanschläge verantwortlich sei und rechtfertige solche Aktionen nicht, so Chotjewitz. Doch Mustafa Atalay und den anderen Angeklagten würden auch völlig legale Tätigkeiten wie die Übersetzung von Texten, das Organisieren von Festen oder die Verteilung von Flugschriften vorgeworfen. Erst durch den Paragraphen 129b würden diese Aktivitäten zur Unterstützung einer terroristischen Vereinigung erklärt. Chotjewitz erinnerte daran, dass auch in den 1970er Jahren nicht nur RAF-Mitglieder für Anschläge verurteilt, sondern auch kritische Linke und Intellektuelle wie Heinrich Böll als Sympathisanten des Terrorismus diffamiert worden seien.

Carsten Ondreka von der Plattform kritisierte den enormen Sicherheitsaufwand auch bei den Prozessbesuchern. Sie müssten sämtliche Taschen ausleeren, ihre Pässe würden kopiert und nicht einmal ein Kugelschreiber oder ein Blatt Papier dürften in den Gerichtssaal mitgenommen werden. Da müsse man doch den Eindruck haben, jeder Besucher sei auch ein potentieller Beschuldigter, so Ondreka. Die Plattform für die Freilassung für Mustafa Atalay plant weitere Prozessbeobachtungen. »Eine kritische Öffentlichkeit ist dringend nötig, so Plattform-Sprecherin Seiffert.

von Peter Nowak, Neues Deutschland, 10.07.2009

Soli-Delegation fährt nach Stammheim

»Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« will breiter über 129-b-Verfahren informieren

Von Carsten Ondreka

Am Dienstag und Mittwoch will die neugegründete »Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay« auf die Situation des 52jährigen schwer herzkranken türkischen Gefangenen aufmerksam machen. Gegen ihn und vier weitere Männer läuft zur Zeit ein Prozeß vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim. Ihnen wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b vorgeworfen. Sie sollen Mitglieder der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) sein. Der Prozeß ist nach Ansicht der Anwälte und der Plattform ein Versuchsfeld für weitere Verfahren gegen mutmaßliche Mitglieder und Symphatisanten ausländischer Befreiungsbewegungen. Vor kurzem begann auch in Düsseldorf ein 129-b-Prozeß gegen zwei türkische Linke. Die in Stuttgart Angeklagten werden in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim unter Sonderhaftbedingungen festgehalten. Auch Mustafa Atalay, der seit November 2006 in Untersuchungshaft ist. Er ist 23 Stunden am Tag allein in der Zelle bzw. auf der Krankenstation. Seine Post wird nur mit großer Verzögerung ausgehändigt. Politische Zeitschriften bekommt er gar nicht. Atalay kann dem Prozeß nur mit Hilfe starker Medikamente folgen. Drei Anträge auf Haftverschonung wurden bislang abgelehnt.

Die Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay hat für Dienstag eine Delegation organisiert, die dem kommenden Verhandlungstag beiwohnen wird. Mit dabei sind der Schriftsteller Peter O. Chotjewitz, der Psychologe Ralf Binswanger und Christian Herrgesell vom Komitee für Grundrechte und Demokratie. Am Mittwoch werden sie auf einer Pressekonferenz im Stuttgarter DGB-Haus (Willi-Bleicher-Straße) über die Situation Mustafa Atalays und den laufenden Prozeß berichten.

Die Solidaritätsplattform will den Druck auf das Gericht erhöhen und Atalays Freilassung erwirken. Darüber hinaus soll die Öffentlichkeit breiter über die laufenden 129-b-Verfahren informiert werden. Daß ein psychisch labiler Doppelagent, der jeweils für türkische und deutsche Geheimdienste tätig war, als Hauptbelastungszeuge in dem Prozeß auftritt, ist zum Beispiel nur wenigen bekannt. Kaum thematisiert wurde in den bürgerlichen Medien bislang auch, daß unter Folter erpreßte Aussagen aus der Türkei als Beweismittel genutzt werden. »Das Verfahren«, so ein Sprecher der Plattform gegenüber junge Welt, »führt viele rechtliche Standards ad absurdum«.

von Carsten Ondreka, Junge Welt, 07.07.2009

»Das ist Stammheim reloaded in schlimmster Form«

129-b-Prozeß gegen mutmaßliche DHKP-C-Mitglieder kaum beachtet. Angeklagte brauchen Solidarität. Ein Gespräch mit Dr. Heinz-Jürgen Schneider

Interview: Markus Bernhardt

* Dr. Heinz-Jürgen Schneider ist Rechtsanwalt in Hamburg. Als Strafverteidiger in politischen Prozessen vertrat er u. a. zahlreiche Kurden sowie seit 1982 Ex-RAF-Mitglied Christian Klar. Zur Zeit vertritt er u. a. Mustafa Atalay im Stammheimer 129-b-Prozeß; www.tribunal-online.de

Sie vertreten Mustafa Atalay, gegen den derzeit vor dem Oberlandesgericht Stuttgart-Stammheim ein 129-b-Prozeß (Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland) geführt wird. Atalay und vier weitere Männer werden beschuldigt, Mitglieder der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei – Front (DHKP-C) zu sein. Wie beurteilen Sie den bisherigen Verlauf?

Der Prozeß dauert sehr lange. Anfang Juli hatten wir schon mehr als 100 Verhandlungstage hinter uns. Gefühlt weit über die Hälfte aller Zeugen kamen aus dem Polizeiapparat und von Geheimdiensten. Viele haben stundenlang »Vermerke« referiert. Das ist keine Beweisaufnahme.

Die Untersuchungshaft dauert für die fünf Angeklagten seit November 2006 an. Sie wird mit Isolation und Sonderbedingungen durchgeführt. Alle Anträge auf Entlassung blieben ohne Erfolg. Es gibt bei zweien ernste Erkrankungen, die nach Meinung der Verteidigung die Haft- und Verhandlungsfähigkeit aufheben.

Grundsätzlich problematisch und nicht hinnehmbar ist die Verwertung von sogenannten Beweisen aus der Türkei. Sie sind wegen der anhaltenden Folterpraxis dort generell unverwertbar. Es gibt aber ordnerweise Material aus der Türkei, und der Chef-Antiterrorbekämpfer aus Istanbul wurde kurzzeitig als Zeuge gehört – bis die Verteidigung nachweisen konnte, daß gegen ihn zwei Anklagen wegen Folter im Dienst erhoben worden sind.

Mustafa Atalay ist trotz schwerer Herzerkrankung weiterhin inhaftiert. Mit welcher Begründung?

Mein Mandant wurde aus einer Rehaklinik heraus von Mitarbeitern des Bundeskriminalamts verhaftet. Während der Haft erfolgte ein erneuter medizinischer Eingriff, weil zwei Bypässe zum Herzen wieder verstopft waren. Heute bekommt er täglich acht bis zehn Medikamente verabreicht. All das ist gerichtsbekannt. In den Beschlüssen zur Haftfortdauer, zuletzt im April und Mai, wird eine Entlassung aber abgelehnt. Es bestehe weiter Tatverdacht und Fluchtgefahr. Auch einer Entlassung mit diversen Auflagen hat das Gericht nicht zugestimmt.

Warum ist der Prozeß in den Medien nicht ähnlich präsent wie der Fall der »Kofferbomber« oder der »Sauerlandgruppe«?

Darauf wüßte ich auch gerne eine Antwort. Eigentlich ist es doch so: Für die »Stuttgart 5« könnte es eine linke Solidaritätsarbeit geben. Es ist ein »Pilotprozeß«, in dem auch für andere Gruppen in der BRD und die deutsche Solidaritätsarbeit Wichtiges entschieden wird. Und bewaffnete Organisationen gibt es ja nicht nur in der Türkei. Aber die Arbeit zum Prozeß ist sehr begrenzt. Auch die liberale Journaille hätte genug Ansatzpunkte für Berichte: Ein geistig verwirrter und in Deutschland verurteilter Agent des türkischen Geheimdienstes als Kronzeuge, Folterdokumente als Beweismittel, physisch und psychisch Kranke auf der Anklagebank – Stammheim reloaded in schlimmster Form. Aber nichts passiert, obwohl Redaktionen angesprochen worden sind.

Werden die Paragraphen 129a und b des Strafgesetzbuchs unterschätzt?

Den Paragraphen 129a gibt es ja schon seit Jahrzehnten. Der politische Selbsterhaltungstrieb verbietet es, diese Praxis zu unterschätzen. Und das passiert auch nicht. Die Staatsschutzaktionen gegen die sogenannten militante Gruppe, »mg«, und Demonstranten gegen den G-8-Gipfel waren von medialen Berichten begleitet, es gab Solidarität und Proteste. Es ist bekannt, daß der Paragraph 129a ein Ausforschungsparagraph ist. Denn in 90 Prozent werden die Ermittlungen ohne Gerichtsverfahren eingestellt. Und es gibt bei Betroffenen, Gruppen und »Szenen« ein Bewußtsein für eine Bedrohung und – mehr oder weniger gut – auch daraus folgende Verhaltensweisen.

Der 129b besteht seit August 2002. Ich schätze, es gab seitdem knapp 200 Ermittlungsverfahren und wenige Prozesse – fast alle gegen Islamisten. Über das Schlagwort hinaus besteht wenig Kenntnis über eine Gefährdung für linke Strukturen durch diese Vorschrift.

Dabei zeigt der Stammheimer Prozeß, daß es um die Kriminalisierung legaler Tätigkeiten geht. Den dortigen Angeklagten wird die Gründung von Vereinen vorgeworfen, Demoteilnahmen, Organisierung von Schulungen, Geldsammlungen oder das Abhalten von Kulturveranstaltungen. Alles mit der Konstruktion, hier werde die »europäische Rückfront« für die »Terrorkommandos in der Türkei« tätig.

Auch das Verfahren gegen die Journalistin Heike Schrader und ihre Verurteilung quasi als »Presseprecherin der ­DHKP-C in Europa« zeigt, inwieweit Solidaritätsarbeit in Deutschland ins Visier des Staatsschutzes geraten kann.

Sie haben auch das ehemalige Mitglied der »Rote-Armee-Fraktion« Christian Klar vertreten. Welche Bilanz ziehen Sie nach den massiven Medienkampagnen gegen Ihren Mandanten?

Das Wichtigste bleibt ja, daß er seit letztem Dezember draußen ist. Und auch die Paparazzi-Hetzjagd nach dem ersten Foto ist vorbei. Ansonsten bleibt die Erinnerung an die ersten Monate 2007, vom Grußwort für die Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt bis zur Ablehnung des Gnadengesuchs. Eine solche mediale und politische Jauche ist über keine andere Person in den letzten Jahren vergossen worden.

Verfolgt man den Stammheimer Prozeß und die Stimmungsmache gegen Christian Klar, fühlt man sich zeitweise an die Kampagnen gegen Linke in den 1970er Jahren erinnert. Rüstet der Staat wieder auf?

Wann hätte er das letzte Mal abgerüstet? Der Unterschied der Siebziger zu heute ist: Damals gab es mehr plumpe »Kopf-Ab-Hetze«, Computer des BKA waren groß wie Kühlschränke und kein Staatsschützer hätte etwas mit dem Begriff GPS-Ortung verbunden. Heute ist die öffentliche Kampagne differenzierter – was sich bei Bedarf ändern läßt, aber der Bundestrojaner kommt in den PC und GPS-Ortung ist ein normales Fahndungsmittel.

Aus: antirepression, Beilage der jW vom 08.07.2009

Freitag, 12. Juni 2009

Free Mustafa – Für die sofortige Freilassung von Mustafa Atalay!

Mustafa Atalay ist ein schwer herzkranker politischer Flüchtling aus der
Türkei und befindet sich seit November 2006 ununterbrochen in
Untersuchungshaft. Aufgrund seiner Haftbedingungen, der strapaziösen Prozesstage, denen er ausgesetzt ist und der mangelhaften medizinischen Behandlung hat sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechtert. Sein Zustand ist kritisch und wird mit der Zeit immer lebensbedrohlicher.
Trotz dessen wird Mustafa Atalay weiterhin isoliert in Stuttgart-Stammheim gefangen gehalten.

Mustafa Atalay ist 52 Jahre alt und lebt seit 2000 als politischer Flüchtling in Deutschland. Im Oktober 2006, kurz vor seiner Verhaftung, erlitt er einen Herzinfarkt, woraufhin ihm drei Bypässe gelegt werden mussten. Nur 2 Wochen nach der Operation, am 15. November 2006, wurde er aus der Reha-Klinik Bad Bevensen durch Bundeskriminalbeamte verhaftet und seine medizinische Weiterbehandlung auf diese Weise beendet. Seitdem ist er inhaftiert und nach mittlerweile mehreren Verlegungen in unterschiedliche Gefängnisse befindet er sich momentan in der JVA Stuttgart-Stammheim. Mustafa Atalay ist einer der fünf Angeklagten im §129b-Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder in der sich auf den Anti-Terrorlisten befindlichen, linken Organisation DHKP-C zu sein.

Die meiste Zeit seiner Inhaftierung ist Mustafa Atalay isoliert untergebracht und unterliegt strengen Sonderhaftbedingungen. So ist er 23 Stunden des Tages alleine in der Zelle bzw. auf der Krankenstation. Seine Post wird mit starker Verzögerung ausgehändigt. Politische Zeitschriften bekommt er gar nicht.
Mustafa Atalay sagte dazu in seiner ersten Prozesserklärung: »Die Isolation ist die größte Schlechtigkeit, die ein Mensch einem anderen Menschen antun kann. Sie ist für mich die größte Folter«.

Bereits in der Türkei war Mustafa Atalay mehr als 15 Jahre im Gefängnis. Dort wurde er schwer gefoltert und hat bleibende körperliche und psychische Schäden erlitten. So kann er nur 20 – 30m schmerzfrei gehen und leidet aufgrund der Foltererlebnisse unter Schlafstörungen, Alpträumen und
nächtlichen Flash-Back-Erlebnissen. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hat das Vorliegen eines „schweren Posttraumatischen Belastungssyndroms“ festgestellt. Im Prozessverlauf äußern sich die Symptome durch Kreislaufprobleme, Gleichgewichtsstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Mustafa Atalay nimmt täglich 8-10 Medikamente ein – allerdings können diese Medikamente unter den genannten Umständen nur die Symptome lindern und versprechen keine Besserung seines Gesundheitszustandes. Eine darüber hinausgehende medizinische Behandlung findet nicht statt.

Seine Verteidiger stellten bereits drei Mal den Antrag, den haftunfähigen Mustafa Atalay freizulassen. Vergeblich. Alle Anträge wurden vom Senat des Oberlandesgerichts Stuttgart abgelehnt und Mustafa Atalay wird trotz seiner offensichtlich lebensbedrohlichen Situation weiterhin in Stuttgart-Stammheim gefangen gehalten.

Für den schwerkranken Mustafa Atalay gilt – Zeit ist keine unerschöpfliche Ressource!
Zwei der Bypässe sind aufgrund der Haftbedingungen wieder verstopft, so dass während seiner Haftzeit weitere Eingriffe am Herzen notwendig waren und immer noch sind.

Mustafa Atalay muss sofort aus der Haft entlassen werden!
Da der Senat ganz offensichtlich die Gesundheit und das Leben von Mustafa Atalay auf das Spiel setzt, ist Mustafa Atalay umso mehr auf unsere Unterstützung und unser Engagement angewiesen. Neben der weiteren Inhaftierung des haftunfähigen Mustafa Atalay ist der ganze Prozess eine
Bankrotterkärung auf die vielbeschworenen rechtsstaatlichen Grundsätze. So gehört zum Hauptbelastungszeugen der Anklage ein Mann, der nachweislich für den türkischen Geheimdienst MIT und den Verfassungsschutz des Landes Rheinland-Pfalz gearbeitet hat. Außerdem sollten Aussagen von der Anklage in das Verfahren eingeführt werden, die durch Folter in der Türkei zustande gekommen sind. Damit setzt die Anklagebehörde eine in den USA und vielen EU-Staaten geübte Praxis fort, sich nach Außen gegen Folter zu stellen, aber die Ergebnisse dieser Folter zu verwenden.

Um auf diese Zustände und auf das skandalöse Handeln des Gerichts aufmerksam zu machen, organisieren wir eine Prozessdelegation, bei der wir Mustafa Atalay unsere Unterstützung zukommen lassen wollen.

Dienstag, 07. Juli || 9.00 Uhr
Asperger Str. 49 (vor dem Gerichtsgebäude)
70439 Stuttgart-Stammheim

Mittwoch, 8. Juli || Pressekonferenz (Details in Kürze)

Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay
Kontakt unter: freemustafa@gmx.de

Donnerstag, 21. Mai 2009

Aufruf der "Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay"

"Für die Freilassung von Mustafa Atalay

Mustafa Atalay ist einer der fünf Angeklagten im § 129b - Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. „Ich bin ein Journalist und ein Sozialist - kein Terrorist“ hat er auf den Anklagevorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erwidert.
Mustafa Atalay ist 52 Jahre alt und lebt seit 2000 in Deutschland als politischer Flüchtling. Er befindet sich seit November 2006 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die meiste Zeit davon war er isoliert untergebracht und er hat strenge Sonderhaftbedingungen.
Mustafa Atalay ist schwer herzkrank. 2006 erlitt er einen Infarkt. Ihm mussten drei Bypässe gelegt werden. Seine Festnahme erfolgte aus einer Rehabilitationsklinik heraus. Zwei Bypässe sind wieder verstopft. Während der Haft waren am Herzen weitere Eingriffe nötig. Wegen der Herz-Kreislaufprobleme und anderer Erkrankungen erhält er täglich 8 bis 10 Medikamente.
Mustafa Atalay war über 15 Jahre im Gefängnis in der Türkei. Er wurde schwer gefoltert und hat bleibende körperliche Schäden erlitten. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hat das Vorliegen eines Posttraumatischen Belastungssyndroms festgestellt.

Mustafa Atalay muss sofort aus der Haft entlassen werden!"


Diesen dreisprachigen Aufruf vom Herbst letzten Jahres haben diverse Menschen und Gruppen aus unterschiedlichen Zusammenhängen, u.a. die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, der Schriftsteller Peter.O.Chotjewitz, diverse JournalistInnen, Kulturschaffende, Ärzte und Anti-Repressions-Gruppen aus dem In- und Ausland, unterschrieben.

Weiterhin gab es Aktionen, die Mustafas lebensbedrohliche Lage thematisierten.  
Peter O. Chotjewitz, der in siebziger Jahren Andreas Baader besuchte, bezeichnet die Haftbedingungen, denen Mustafa ausgesetzt ist, als schikanös und schlimmer als die Situation der RAF-Gefangenen in der 70er und 80er Jahren. Mustafa ist 23 Stunden des Tages allein in der Zelle bzw. auf der Krankenstation. Die Post wird mit starker Verzögerung ausgehändigt. Politische Zeitschriften bekommt er gar nicht. Mustafa sagte dazu in seiner ersten Prozeßerklärung: »Die Isolation ist die größte Schlechtigkeit, die ein Mensch einem anderen Menschen antun kann. Sie war für mich die größte Folter«
Die Anwälte stellten deshalb mehrmals den Antrag, den haftunfähigen Mustafa freizulassen.
Vergeblich, denn im April wurde der Antrag vom zuständigen Senat des OLG Stuttgart wiedrum abgelehnt. 
Ihm wird, genauso wie den vier anderen Häftlingen, die mutmaßliche Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach Paragraph 129b des Strafgesetzbuches, vorgeworfen. Konkret sollen sie Geld für die DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei - Front) gesammelt und einen Waffentransport organisiert haben. Weiterhin wird ihnen vorgeworfen, Arbeit in türkischen Vereinen und Öffentlichkeit zu den Gefangenen in der Türkei und der BRD hergestellt zu haben. Das basiert überwiegend auf Aussagen aus der Türkei, die durch Folter erpreßt worden sind. Das Ganze ist ein Präzedenzverfahren, in dem es darum geht, mutmaßliche UnterstützerInnen der DHKP-C zu verfolgen und sie damit auch leichter abschieben zu können. Dass dies auch Mitglieder anderer ausländischer Oppositionsbewegungen blühen kann, ist absehbar.

Weil die diversen Aktivitäten bis heute nicht ausreichten, Mustafa umgehend frei zu kämpfen, haben sich verschiedene Menschen und Gruppen zur "Plattform für die sofortige Freiheit von Mustafa Atalay" zusammengeschlossen und fordern alle auf, alles dran zusetzen, dass Mustafa unverzüglich lebend den Knast verläßt.

Für den vom Leben bedrohten Mustafa gilt, Zeit ist keine unerschöpfliche Ressource!

Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay

Willkommen zu unserem Blog

Wir sind die "Plattform für die Freiheit von Mustafa Atalay", die sich anlässlich der akuten gesundheitlichen Verfassung des politischen Gefangenen Mustafa Atalay gegründet hat.Wir werden diesen Blog dafür nutzen, über die Entwicklungen hinsichtlich Mustafa Atalays Situation zu informieren und unsere Arbeit für die Öffentlichkeit transparent zu machen.
In Kürze werden wir diesen Blog mit Inhalten füllen und hoffen auf die breite Unterstützung Mustafa Atalays.

Sonntag, 28. Dezember 2008

Freiheit für Mustafa Atalay in der Kirche gefordert!

Heilig Abend gegen 23 Uhr anläßlich der Christmette der Predigt der Bischöfin Maria Jepsen im Hamburger Michael, der einer der Hauptkirchen dieser Stadt ist. Eine handvoll Menschen verlassen ihre Plätze, gehen zum Altar und bemächtigen sich des Mikrofons, und fordern öffentlich die Freilassung des haftunfähigen Mustafa Atalay!
Weiterhin möge sich die Bischöfin für Mustafa Atalay einsetzen. Sie und ein weiterer Geistlicher weigerten sich Stellung zu nehmen und wollten ihren Gottesdienst weiterführen.!
Die DemonstrantInnen liessen sich aber nicht abwimmeln und halten eine kurze Rede zu Mustafa Atalay! Danach überreichten sie Jepsen Hintergrundmaterial einschließlich diverser Gutachten zu Mustafa und verteilten eine Resolution, mit der Aufforderung seiner Freilassung. Danach gab es sogar unerwartet Beifall von den KirchenbesucherInnen.! Wären mehr InterventionistInnen anwesend gewesen, hätten mensch länger bleiben können.! Die DemonstrantInnen verließen unbehelligt die Kirche.!
Diese Erklärung wurde verteilt:!
"Mustafa Atalay ist einer der fünf Angeklagten im § 129b- Prozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. „Ich bin ein Journalist und ein Sozialist - kein Terrorist“ hat er auf den Anklagevorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung erwidert.!
Mustafa Atalay ist 52 Jahre alt und lebt seit 2000 in Deutschland als politischer Flüchtling. Er befindet sich seit November 2006 ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die meiste Zeit davon war er isoliert untergebracht und er hat strenge Sonderhaftbedingungen.!
Mustafa Atalay ist schwer herzkrank. 2006 erlitt er einen Infarkt. Ihm mussten drei Bypässe gelegt werden. Seine Festnahme erfolgte aus einer Rehabilitationsklinik heraus. Zwei Bypässe sind wieder verstopft. Während der Haft waren am Herzen weitere Eingriffe nötig. Wegen der Herz-Kreislaufprobleme und anderer Erkrankungen erhält er täglich 8 bis 10 Medikamente.!
Mustafa Atalay war über 15 Jahre im Gefängnis in der Türkei. Er wurde schwer gefoltert und hat bleibende körperliche Schäden erlitten. Ein vom Gericht bestellter Gutachter hat das Vorliegen eines Posttraumatischen Belastungssyndroms festgestellt.!
Mustafa Atalay muss sofort aus der Haft entlassen werden!"!
Mehr als hundert Menschen und Gruppen, darunter aber auch Prominente, wie die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die Linke) und der Schriftsteller Peter. O. Chotjewitz, haben diesen Solidaritätsaufruf für die sofortige Freilassung von Mustafa Atalay unterzeichnet. Gemeinsam mit Ahmet Düzgün Yüksel, Ilahn Demirtas, Devrim Güler und Hasan Ssubasi wird Mustafa vom Staatschutzsenat in Stuttgart-Stammheim vorgeworfen, Spenden zur Finanzierung des bewaffneten Kampfes der Revolutionären Volksbefreiungspartei - Front (DHKP-C) in der Türkei gesammelt zu haben und somit Mitglied einer »ausländischen terroristischen Vereinigung« zu sein. Erstmalig kommt damit in Deutschland der Paragraph 129b (»Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland«) gegen die politische Linke zur Anwendung.!
Devrim Güler, einer der 5 Gefangener aus dem Stuttgarter 129b-Verfahren zu Mustafas Gesundheitszustand:
"So mache ich mir ernsthafte Sorgen um Mustafa, der täglich 9-10 Tabletten einnehmen muss. Seine Gesichtsfarbe nimmt während der Verhandlung solch einen grau-schwärzlichen Ton an, dass man es mit der Angst zu tun bekommt. Dennoch versucht er sich, soweit es ihm möglich ist, nichts anmerken zu lassen und sich tapfer zu halten."
Da trotz der Solidarität das zuständige Gericht, bisher Mustafa nicht freigelassen hat, hielten es die Menschen für notwendig öffentlich im Michel zu intervenieren, um mehr Druck auszuüben.
P.S. Reaktionen:
Durch diese Aktion konnte auch das Schweigen der bürgerlichen Zeitungen durchbrochen werden: Die Hamburger Morgenpost berichtete am 27.12. in einem Artikel davon: Bischöfin Jepsen nahm "den Vorfall in ihrer Predigt auf und versprach das Anliegen an die zuständige Behörden weiterzuleiten".
Auch gab es dazu Veröffentlichungen in der Onlinezeitung www.scharf-links.de und bei Indymedia sowie weitere Unterschriften.
" Sehr schön ! Koole Akion. Macht weiter so und lasst euch nicht entmutigen!" War ein Kommentar auf Indy. Die Solidaritätserklärung kann per E-Mail unterstützt werden: hamburg@political-prisoners.net!

Für die Freilassung von Mustafa Atalay!

Sonntag, 13. April 2008

Mustafa Atalays Verteidigungsschrift

UNSERE GESCHICHTE IST EINE WELTGESCHICHTE

Artikel 39 der Magna Charta Libertatum von 1215 weist darauf hin, daß es "keine erfundene Beschuldigung geben darf". Diese Tatsache ist seitdem in die Rechtsgeschichte tief eingraviert. Und zwar so, daß Juristen heute, 800 Jahre danach diese Tatsache erneut zur Sprache bringen müssen. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Hans Jürgen Papier hat betont, daß die Personen, deren Namen in der ,,Terror" Liste der EU und der UN erwähnt werden, keine Verteidigungsrechte und keinen Rechtsschutz genießen. Er kritisiert diese Listen, indem er betont, daß nicht einmal die Beweismittel für die ihnen zur Last gelegten Schulden zur Sprache gebracht werden. Wer ist ein Terrorist? Wer ist kein Terrorist? Das weiß jeder.
Wir sind unterdrückte, anständige, ehrenvolle Menschen. Unsere Geschichte ist die Geschichte der anständigen Menschen und der Armen der Welt.
Unsere Geschichte ist die Geschichte der Hungernden und der Menschen auf deren Köpfe man jeden Tag Bomben herunterregnen lässt.
Unsere Geschichte ist die Geschichte einer gerechten Sache und des Lebens.
Unsere Geschichte ist eine Weltgeschichte.

EINE WELT
Wenn ein Vogel aufsteigt
und mit den Flügeln in Richtung Freiheit schlägt,
in zarten Wolken
im Himmel fliegt,
die Menschheit
in Bergen und in freier Natur
in Wäldern und im Grünen lebt,
gibt es keinen Hunger
keine Armut.
Es gibt keinen Unterdrücker,
keine Weltbeschmutzer.
Die Bomben lassen nicht den Töd hinunter regnen auf Babys.
Während in diesem Paradies der Freiheit
die Menschheit in Gleichheit und Gerechtigkeit lebt
und in dieser Welt die Ausbeutung beendet,
die Grausamkeit außer Kraft gesetzt worden ist,
befinden sich die Menschen in Einigkeit und Brüderlichkeit.

DIE TATSACHEN ZEIGEN JEDEM DIE WAHRHEIT
EIN FILM: DIE KANADISCHE SALAMI


In diesem satirischen Film des Dokumentarfilme-Regisseurs Michael Moore von 1995 wird vom Terror und von Terroristen erzählt. Es handelt sich bei diesem Film um einen Film, den man sich mehrfach anschauen sollte. Der Terror wird von den höchsten Institutionen wie dem Präsidialamt der USA inszeniert und fällt wie eine Ramme auf das Schicksal der Völker.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjets benötigt des Präsidium der USA Lügen wie "sowjetische Gefahr", "kalter Krieg" für seine eigenen politischen Interessen. Aus diesem Grund lädt der Präsident der USA russische Funktionäre nach Washington ein und schlägt ihnen vor, dieses gefälschte Spiel des ,"kalten Krieges" fortzusetzen.
Als sein Vorschlag abgelehnt wird, werden einige ",spekulative Aktionen" geplant, in denen nunmehr "Kanada" in den Vordergrund geschoben wird.
Einer dieser Pläne ist, daß als kanadische "Terroristen" verkleidete CIA-Agenten Aktionen in den USA durchführen sollen, auf die jeder mit "Na, sowas!" reagiert.
EIN BUCH: DER MÄCHTIGE UND DER ALLMÄCHTIGE
Die frühere Außenministerin der USA in der Clinton-Ära, Madeleine Albright, gibt in ihrem Buch "Der Mächtige und der Allmächtige: Gott, Amerika und die Weltpolitik" folgende Aussage von Bush wieder:
"Ich fühle, daß ich von Gott beauftragt worden bin". Bush ist also der letzte von Gott beauftragte Vertreter, der letzte Prophet. Man muß betonen, daß es sich bei dieser Aussage um einen pathologischen Fall handelt.
In jedem, der nicht mit seinem Willen, insbesondere nicht mit seiner Irak-Politik harmonierte, sah Bush nach der Interpretation Albrights "Widerständler gegen Gottes Forderungen.
EIN PLAKAT: "ANNAPOLIS WON'T SAVE YOU"
Vor kurzem haben Plakate mit dem Inhalt "Annapolis wird dich nicht retten können" die Mauern von Jerusalem geschmückt, die auf Olmert hinwiesen, der in seiner Heimat wegen Unregelmäßigkeiten beschuldigt wird.
EIN BRIEF: "DER UNSTERBLICHE BAUM"
"Die Olivenbäume schadeten Israel überhaupt nicht. Gestern haben sie jedoch alle Olivenbäume auf den Wegen der Panzer mit ihren Wurzeln rausgerissen und getötet. Mein Großvater hatte sie gepflanzt. Eigentlich kennt man sie als "unsterbliche Bäume". Sie haben sie getötet."
Die Verfasserin dieses Briefes, Yasemin, lebt in Gaza. Sie hat den Brief am 4. Dezember 2007 an die elektronische Erdoberfläche geschickt.

WER IST TERRORIST: JEDER WEISS ES
BUSH UND OLMERT?
EINSTEIN UND CHARLIE CHAPLIN?
IST DAS MIT DEM SCHNULLER IM MUND VERSTORBENE BABY IM IRAK EIN TERRORIST?


Unser Leben präsentiert uns die Wahrheiten, ohne die Notwendigkeit von Lügen, Verbergen und Heimlichkeiten.
Diese Wahrheiten sind es, die uns manchmal in einem Film, manchmal in einem Buch, manchmal in einem Brief und manchmal auf einem Plakat an der Mauer in der Straße begegnen. Wie wurde der Irak besetzt? Mit Lügen. Im Irak gab es Nuklearwaffen, der Irak war "terroristisch" und er wurde besetzt. Die Nuklearwaffen wurden überhaupt nicht gefunden. Es war eine Lüge.
Um den Iran angreifen zu können, bediente man sich erneut der Lüge der Nuklearwaffen. Diesmal glaubten nicht einmal die Nachrichtendienste der USA an diese Lüge. Der Iran produzierte keine Nuklearwaffen.
Wer wurde nicht alles während der Geschichte als "Terrorist" bezeichnet. Führer von nationalen Befreiungskriegen gegen den Imperialismus, Kämpfer für die Demokratie, Kämpfer für den Sozialismus wurden immer "Banditen", "Anarchisten", "Terroristen" genannt.
Wer alles wer kein "Terrorist"; Einstein und Charlie Chaplin waren gefährliche Menschen. Denn Einstein und Chaplin waren Sozialisten. Beispielsweise die von dem FBl vorbereitete Akte über Einstein umfasste genau 1500 Seiten. In den Konzentrationslagern von Auschwitz und Dachau wurden Kinder in Gaskammern verbrannt. Denn die Kinder waren gefährlich. Das in Hiroshima und Nagasaki mit der Atombombe getötete Volk war sehr gefährlich.
Auch das mit dem Schnuller im Mund verstorbene Baby im Irak war gefährlich. Das leblos neben seiner Klagelied singenden Mutter liegende irakische Mädchen war sehr gefährlich. Haben all diese Lügen verheimlichen und verbergen können, wer die wahren Terroristen sind?
Amerika und Israel sind Mächte, die auf der ganzen Welt keine Sympathien genießen. Bush und Olmert werden auch in ihren Heimatländern nicht gemocht. Man kennt sie als die Bösesten der Welt.
In Deutschland haben, einschließlich Grundschüler, 2 Millionen Menschen auf Straßen und Plätzen gegen die Besetzung des Irak durch die USA protestiert. 2 Millionen Protestler. Genau 2 Millionen. Sind etwa die 2 Millionen Protestler "Terroristen"?
Vergangenes Jahr wurde in Deutschland gegen diejenigen wegen "Terrorismusverdachts" ermittelt, die gegen die Reichen der Welt, gegen den G-8 Gipfel protestiert hatten. Viele Menschen wurden festgenommen. Es gab Razzien in ihren Wohnungen und Büros. Der Bundesgerichtshof stellte in seiner Entscheidung fest, daß "die Globalisierungsgegner keine Terroristen sind".
Natürlich wird das Recht eine Logik haben. Die Rechtlosigkeit allerdings entbehrt jeder Logik. Das Recht wird auch eine Philosophie haben. Philosophie ist die Liebe zur Vernunft.
In der Rechtlosigkeit gibt es weder Vernunft noch Liebe. In ihr gibt es nur Vorurteile. Das ist überall auf der Welt so. Ob in Deutschland oder in der Türkei; es spielt keine Rolle.

WO IST DIE GERECHTIGKEIT?

In der Türkei werden Menschen durch Polizeikugeln getötet.
Die Zahl der in den letzten 2 Jahren von Polizisten getöteten Menschen beträgt 34. Das sind bekannt gewordene Fälle. Bei der Folter, in Gefängnissen werden Menschen getötet. Wegen ihres Glaubens werden Menschen mit Messern geschlachtet. Journalisten werden getötet. Für Recht und Gerechtigkeit wird nichts getan. Die Mörder werden verschont. Denn der Staat organisiert diese Mörder, er läßt sie foltern und morden. In den Prozessen werden Beweise verdunkelt, verheimlicht. Der Prozess des Journalisten Hrant Dink und der Prozess der in Malatya getöteten 3 Christen - einer von ihnen ist ein Deutscher - sind die jüngsten Beispiele dieser Realität.
Ungerechtigkeit war eines der am meisten diskutierten Themen in Deutschland gewesen. Bei den niedersächsischen Landtagswahlen war der Wahlspruch der SPD "Gerechtigkeit kommt wieder". Jawohl; es gibt keine Gerechtigkeit. Nur für die Reichen gibt es Gerechtigkeit. Für Peter Hartz, für korrupte, unterschlagende Siemens-Funktionäre und für Groß-Bankiers gibt es Gerechtigkeit. Sie können machen, was sie wollen; ins Gefängnis kommen sie nicht. Wo ist also die Gerechtigkeit?

RECHT UND DEMOKRATIE

Es gibt eine Meinung, die besagt: "Ich denke nur an die Sicherheit des Staates. Des Recht kommt an zweiter Stelle." Ein Verständnis, daß das Recht rückschrittlich macht. Ist das Recht unabhängig? Ist das Recht über dem Staat? Europa vertritt die These, daß das Recht unabhängig und über dem Staat sei. In Demokratien gebe es die Vorherrschaft des Rechts. Während in diesen Demokratien über alles diskutiert wird, kann über das Eigentliche gar nicht diskutiert werden. Die Linke und der Sozialismus kann sich von Verfolgungen, Ermittlungen, Telefonlauschaktionen und Verboten nicht befreien. Ihnen ist untersagt, über alles zu diskutieren. Ein Beispiel: Das Saarland war das erste Land im Westen, das die Verfolgung der Linkspartei offiziell außer Kraft gesetzt hat. Die verfolgende Behörde war der Verfassungsschutz.
Ist das Demokratie? Ist das Gerechtigkeit? Ist das Recht?
Mit diesem Recht und mit dieser Demokratie muß man sich konfrontieren.
In einem Deutschland, das durch das Nazi-Regime Hitlers für den Tod von 40 Millionen Menschen verantwortlich ist, gibt es eine Frage, die man jedem Deutschen zu stellen hat. Auch jeder Deutsche müßte eine Frage haben. Sind es nicht die Nazis gewesen, die die Feinde der Linken und des Sozialismus waren?
Verfolgt worden ist nicht nur die Linkspartei. Auch Studenten, die um ihre akademischen und ökonomischen Rechte gekämpft haben, sind verfolgt worden.
Während all dies geschehen ist, sind Straftaten, Angriffe und der Terror der Nazis von der Polizei nicht einmal aktenkundig gemacht worden.
Immigranten und Muslime werden als potenzielle "Terroristen" angesehen. Die Kinder will man in Besserungsanstalten und Gefängnissen unterbringen. Der Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit nehmen zu. Die Angriffe auf Immigranten wollen gar nicht enden.
In Deutschland und in Österreich werden Häuser angesteckt. Es sterben Menschen. In Ludwigshafen sind 9 Menschen aus der Türkei, 5 Kinder und 4 Frauen, verbrannt worden. Warum?
IN DIESEM PROZESS IST FÜR MICH DIE FRAGE NACH DEMOKRATIE UND FREIHEIT DAS HAUPTTHEMA.
Ich bin ein sozialistischer Journalist, ein sozialistischer Mensch, kein Terrorist.
Bis heute habe ich für die Demokratie und für die Freiheit gekämpft. Ich habe für eine vollkommen unabhängige Türkei gekämpft. Ich habe mich der Ungerechtigkeit und der Grausamkeit widersetzt. Aus diesem Grund bin ich in meiner Heimat massiv gefoltert und tyrannisiert worden. Die Folterspuren sind an mehreren Stellen meines Körpers vorhanden und sie sind immer noch sehr deutlich zu sehen. Ich erlitt Brüche an meinem Kreuz, meinen Händen und meinem Kopf. Die Spuren sind da. Als Folge des Kreuzbruches hin ich nur noch in der Lage höchstens 3 bis 5 Minuten lang zu Fuß zu gehen. Unter den Achseln aufhängen, im Winter mit kaltem Wasser waschen, Stromschläge verabreichen, Bastonade anwenden, im menschenleeren Feld mit geschlossenen Augen den Abzug einer am Kopf angelegten Waffe betätigen, Schüsse unmittelbar an den Füßen vorbei abgeben, Todosdrohungen ausstoßen... Wegen dieser Folterungen verschlechterte sich mein Gesundheitszustand vollkommen. Aus diesem Grunde befand ich mich unter ständiger arztlicher Kontrolle und Behandlung. Die Atteste befinden sich in der Akte. Warum so viel Folter und Grausamkeit? Weil ich an einer Demonstration teilgenommen, ein Flugblatt verteilt, ein Plakat aufgehängt habe. Ein Besuch des Vereinslokals war ein Folterungsgrund. Es war ein Grund für einen Prozess vor dem Militärgericht. Die Verhandlung war ein Fall von vollkommener Rechtlosigkeit und Ungerechtigkeit. Seit der Ära der Militärjunta, seit 1980, hat sich nichts geändert. Wenn heute Lehrer demonstrieren, spricht der Minister für Nationale Erziehung von einer "illegalen Aktion" und will ein Ermittlungsverfahren einleiten. Kann man in so einer Situation von Recht sprechen?
In der Türkei wurde ich von der Polizei und der MIT verfolgt, festgenommen und gefoltert. Aus diesem Grunde bin ich in Deutschland ein Asylberechtigter.
Mir wird heute hier aus dem Grund der Prozess gemacht, weil ich ein Sozialist bin. Bei diesem Prozess handelt es sich um einen Prozess, der durch ein Komplott, eine Provokation der MIT ins Leben gerufen worden ist.
In der Türkei ist die MIT als eine Organisation für Verschwörungen und Provokationen bekannt. Hierfür gibt es zahlreiche Beweise und Zeugen. Staatspräsidenten, Ministerpräsidenten, Minister und manchmal Generäle haben die MIT so bewertet. Die Belege dazu werden wir präsentieren.
Obwohl kein gesichertes Beweismittel, kein Zeuge, keine echten Belege, keine richtige Information gegen mich vorhanden ist, bin ich seit 16 Monaten in Haft.
Warum?
Es gibt einen einzigen Grund. Weil ich anders denke und ein Sozialist bin, bin ich in Haft. Meine Inhaftierung und die Fortdauer dieser Haft stellen für mich eine große Ungerechtigkeit dar.
Es gibt viele Beispiele für solche Prozesse. Der Dreyfußprozess in Frankreich in der Vergangenheit. Dem Dreyfuß hat man wegen Spionage den Prozess gemacht. Es wurden falsche Zeugen gefunden. Es war ein vollkommenes Beispiel der Rechtlosigkeit. In Amerika hat man die italienischen Arbeiter Sacco und Vanzetti wegen Mordes angeklagt, weil sie Sozialisten waren. Bei diesem Prozess handelte es sich um eine vollkommene Verschwörung. Der falsche Zeuge dieses Verfahrens hat die Wahrheit Jahre später eingeräumt. Genau wie der falsche Zeuge im Rosenbergprozess. Die Rosenbergs wurden allerdings mit der Beschuldigung, Spionage für die Sowjets betrieben zu haben, hingerichtet. Der falsche Zeuge hat viel später ein Geständnis abgelegt. Es gibt viele Prozesse, die große Ahnlichkeiten mit diesem Verfahren aufweisen. Diese Beispiele kann man endlos fortsetzen. Jawohl; weil ich anders denke und ein Sozialist bin, wird mir der Prozess gemacht. Aus diesem Grund hat man mein Recht auf Leben aufgehoben. Mein Recht auf Gesundheit, mein Recht auf Therapie wurden vernichtet. Mein Recht auf Verteidigung wird behindert. Meine Freiheit auf künstlerische und kulturelle Produktion wird behindert.
Seit Monaten lebe ich in der Isolation.
< DIE ISOLATION IST DIE GRÖSSTE SCHLECHTIG KEIT, DIE EIN MENSCH EINEM ANDEREN MENSCHEN ANTUN KANN UND SIE WAR FÜR MICH DIE GRÖSSTE FOLTER
Die Isolation reißt den Menschen von der Natur und dem Leben, vom Menschen und der Welt, von seinen Geliebten los.
Sie wird angewandt, um den Menschen physisch und psychisch mürbe zu machen und zu vernichten.

WAREN DIE LUFT UND DER SAUERSTOFF
DIE SONNE UND DIE BLUME AUCH "TERRORISTEN"?


Seit 16 Monaten lebe ich in der Isolation. Wir wurden zum Schweigen gebracht und unsere Füße wurden in Ketten gelegt. Reden war untersagt. In diesen 16 Monaten hat man allem voran mein Recht auf Leben und meine Rechte auf Gesundheit und Therapie beseitigt. Mein Recht auf Verteidigung wurde behindert.
Im Oktober 2006 wurden 3 verstopften Gefäßen an meinem Herzen Bypässe angelegt. Mein Gesundheitszustand hatte sich dadurch gebessert. Meine Behandlung wurde in der Herzklinik in Bad Bevensen fortgesetzt. Die Polizei nahm mich fest, indem sie meinem Arzt erklärte, daß ich verhaftet und in das Justizkrankenhaus in Hannover verlegt werde, wo meine Behandlung fortgesetzt würde. Meine Behandlung in der Herzklinik wurde somit verhindert. Die Behandlung hätte noch 15 Tage fortgesetzt werden müssen. Ich wurde festgenommen und in einer Zelle ohne Luft und ohne Sonne im Gefängnis von Hannover untergebracht. Die Herzschmerzen hielten an. Die Operationsnarben waren noch nicht ausgeheilt. Auf der einen Seite die Schmerzen, auf der anderen die Zelle ohne Luft, ließen mich kaum richtig atmen. Das Fenster der Zelle ließ sich nur oberhalb 20 cm breit öffnen. Und es kam keine Luft herein. Vor dem Glas befand sich außer dem Gitterwerk ein Drahtzaun. In die Zelle drang keine Luft ein. Weil man all meine Sachen, meine Kleidung mir mit Gewalt weggenommen hatte, konnte ich nicht zum Hofgang. Es war mir nicht möglich, bei einem Hofgang frische Luft einzuatmen. Die Zelle war 7 x 4 Schritte klein. Des Bett, der Stuhl, der Tisch, das Regal, die Toilette, alles war in dieser Zelle. 24 Stunden lang war ich alleine in dieser Zelle. Die Zelle war schlimmer als das, was ich in der Türkei erlebt habe, wegen der Isolation. Die Zelle war wie ein Sarg. Kann ein Mensch in einer luftlosen, dunklen Zelle gesund leben, in der Obst innerhalb von 2-3 Tagen verfault?
In den ersten Tagen wurde mir schwarz vor den Augen, wenn ich aufstand. Dann fiel ich hin. Es war sehr schwer, mich zu bewegen. Die Herzschmerzen wurden zunehmend heftiger. Von diesen ganzen Gesundheitsproblemen habe ich dem Arzt berichtet. 6 Monate lang wurde es mit der Bemerkung übergangen, das sei "normal".
Die Sonne war verboten. Luft - Sauerstoff waren verboten. Waren vielleicht die Sonne, die Luft und der Sauerstoff sehr gefährlich?
Erst einen Monat nach meiner Inhaftierung wurden mir meine Kleider ausgehändigt. Beim Einzelhofgang wurde ich von 2 Aufsehern beaufsichtigt. Der Hof war winzig klein. Die Aufseher beobachteten ständig. Eines Tages habe ich im Garten eine Blume gepflückt. Auch die Blume muß wohl gefährlich gewesen sein, denn sie wurde sofort der Sicherheitsuntersuchung unterzogen.
Willkürlich wurden Sachen, die mir meine Besucher mitbrachten nicht angenommen, die angekommenen Bücher zurückgeschickt.
SIND DIE FUSSKETTEN MIT DEM RECHT ZU VEREINBAREN?
Beim Transport wurden mir gewaltsam Fußketten angelegt. Was außer diesen Fußketten kann die Rechtlosigkeit darlegen? Was war das alles, wobei nichts höher sein dürfte als die Würde des Menschen?

MEIN RECHT AUF LEBEN WURDE BESEITIGT

Es waren Monate vergangen, mein Gesundheitszustand war restlos verdorben. Nach 6 Monaten wurde ich im Mai 2007 für eine Kontrolluntersuchung in das Krankenhaus der Medizinischen Fakultät in Hannover überstellt. Nach den Kontrolluntersuchungen stellte sich heraus, daß 2 von den 3 Gefäßen, wo Bypässe angelegt worden waren, wieder verstopft waren. Das war der Grund für die monatelang dauernden Schmerzen und für die Müdigkeit.
Laut den Berichten der Medizinischen Fakultät Hannover, des Gefängnisarztes und des Gefängnisleiters mußte die Haft unterbrochen werden. Dieses, mein Recht auf Leben wurde nicht akzeptiert und dieses Recht mir nicht zuerkannt. Ich wurde nach Lingen in das Krankenhaus für Häftlinge transportiert. Hier bekam ich lediglich die Tabletten, die ich seit September 2006 bekommen hatte. Man machte ein EKG und einen Bluttest. Der Blutdruck wurde gemessen. Das alles war auch im Gefängnis in Hannover gemacht worden. Im Krankenhaus gab es überhaupt keine Therapie. Mein Gesundheitszustand verschlimmerte sich. Die beiden verstopften Gefäße blieben verstopft. Die Schmerzen und die Müdigkeit nahmen stark zu.
Ist es nicht so, daß das Leben des Menschen heilig ist? Ist es nicht so, daß der Mensch über allem steht? Hatte das Leben des Menschen keinen Platz im Rechtswesen? All diese Fragen blieben unbeantwortet.

AUCH DIE VERTEIDIGUNG IST VERBOTEN

Ich war doch in einem Krankenhaus untergebracht worden, nicht wahr? Mein Recht auf Verteidigung und auf Besuch wurde mit der Ausrede der ausgezogen zu erfolgenden Durchsuchung beseitigt. Ich war 3 Monate lang im Krankenhaus. Es gab verschiedenartige Verbote. Ein Glas warmes Wasser war verboten. Seltsam, was? In einem Krankenhaus ist 3 Wochen lang ein Glas warmes Trinkwasser verboten. Der Grund dafür war die Isolation.
Vom Krankenhaus wurde ich in das Gefängnis in Freiburg transportiert. Beim Betreten des Gefängnisses wurden mir meine sämtlichen Sachen unter Zwangsanwendung weggenommen. Meine Bekleidung, meine Bücher, von mir verfaßte Gedichte, Briefe, meine Stifte, Briefmarken, das Zeitungsarchiv. Notizen und Unterlagen für meine Verteidigung, das alles wurde mir weggenommen. Nach 20 Tagen bekam ich manche Sachen, nach 2 1/2 Monaten weitere Sachen zurück. Viele Sachen, Notizen und Unterlagen für meine Verteidigung und mein Zeitungsarchiv wurden mir nicht ausgehändigt. Die Unterlagen für meine Verteidigung, die ich an meine Anwälte geschickt habe, wurden monatelang nicht weitergeleitet. Erst nach 2 - 3 Monaten wurden sie ihnen übergeben. Stellt das alles nicht eine Behinderung und ein Verbot der Verteidigung dar?
Oder waren etwa der Stift, das Gedicht, das Buch, das Zeitungsarchiv, die Briefmarken, der Brief, die Verteidigungsnotizen und die Verteidigungsunterlagen sehr gefährlich? Oder waren etwa das Gedicht, das Buch, die Zeitung, der Stift, die Unterlagen für die Verteidigung "Terroristen"? Im Gefängnis in Hannover und im Justizkrankenhaus in Lingen waren die Offiziellen für die Dauer von 11 Monaten die einzigen Menschen, die ich gesehen habe. Ihre Stimmen waren die einzigen menschlichen Stimmen, die ich wahrgenommen habe. Im ersten Monat meiner Haftzeit gab es kein Fernsehen, keine Zeitung, kein Buch. Ich hatte meine Kleidung nicht. Aus diesem Grund konnte ich nicht zum Hofgang. Im Justizkrankenhaus in Lingen und in Freiburg gab es insgesamt 6 Monate lang keine türkischen Fernsehkanäle.
Zeitungen demokratischer Vereine und Institutionen wurden verboten und nicht ausgehändigt. Manche angekommenen Briefe, Karten, Bilder wurden nicht ausgehändigt. Auf diesem Wege wurde die künstlerische Produktion untersagt. Eigentlich wurde der Gedanke untersagt.

DAS LEBEN IST EIN LEBEN, WENN ES GERECHTIGKEIT GIBT

Die Isolation dauert an. Sie ist eine Folter für mich. Das Leben ist ein Leben, wenn es Gerechtigkeit gibt. Gibt es keine Gerechtigkeit, so gibt es auch kein Leben. Genau wie in meinem Fall, wo ich verstümmelt gelassen und nicht behandelt worden bin. Das Leben geht weiter. Macht Euch Gedanken!
All das ist geschehen. All das, was ich erlebt habe, war für mich Folter.
Wer von sich behauptet, er sei ein Mensch, muß etwas zu sagen haben. Das Recht besteht nicht nur aus Strafen und Sanktionen. Es befindet sich nicht außerhalb von sozialen und moralischen Bedingungen. Man muß ausschließlich die Wahrheiten beachten und nicht wie zwangsläufig zur Sprache gebrachte unwahre Behauptungen, die jeder Grundlage entbehren. Seit fast 1,5 Jahren wird meine Haft unrechtmäßig fortgesetzt, ohne daß man mir irgend eine Frage gestellt, das Rederecht eingeräumt hat.
Seit den Berichten des Gefängnisleiters und des Arztes in Hannover im Mai 2007 des Inhalts, daß "die Haft zu unterbrechen ist", hat es bis heute keine Veränderung gegeben.

Ich will meine Entlassung.
Ich will mein Recht auf Leben.
Ich will mein Recht auf Gesundheit, Freiheit für den Gedanken.